Du hast aufgrund deiner ständigen Bauchschmerzen alle notwendigen mehr oder minder angenehmen Untersuchungen hinter dich gebracht, bist dabei „ohne Befund“ vertröstet worden und hast dann vor kurzem deine Diagnose Reizdarmsyndrom erhalten? Dann bist du hier genau richtig! Seit meiner Diagnose vor neun Jahren ist einige Zeit vergangen, die Therapien haben sich weiterentwickelt und ich habe bereits vieles ausgetestet. Meine Tipps und Empfehlungen für neue „Reizdarmis“ habe ich hier mal versucht zu sammeln, damit du nicht die gleichen Fehler wie ich nach meiner Diagnose machen musst.
Alle wichtigen Untersuchungen machen
Ich hatte es zwar in der Einleitung schon erwähnt, möchte es hier aber nochmals als eigenen Punkt aufführen, da es wirklich enorm wichtig ist. Bitte lasst euch unbedingt umfassend beim Gastro-Enterologen durchchecken und stellt keine „eigene“ Diagnose! Hinter den Reizdarm-typischen Symptomen können auch gefährliche Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa stecken, die unbedingt behandelt werden müssen. Ein Reizdarm bringt zwar eine starke Einschränkung der Lebensqualität mit sich, ist aber in keinem Fall lebensbedrohlich. Ich weiß, dass man sich inbesondere als junger Mensch unter 30 mit Sicherheit Schöneres vorstellen kann als eine Magen- und Darmspiegelung, aber lasst das auf jeden Fall machen, um schwerwiegende Erkrankungen ausschließen zu können. Außerdem würde ich euch noch die üblichen Tests auf Lebensmittelunverträglichkeiten und -allergien empfehlen. Dies wird euch der Gastro-Enterologe aber mit Sicherheit auch sagen.
Hausärzt:in suchen, der/ dem man vertraut
Als zweiten Schritt würde ich euch unbedingt empfehlen, euch eine:n Hausärzt:in zu suchen, der oder dem ihr wirklich vertraut, der/ die euch zuhört und bei der/ dem ihr euch gut aufgehoben fühlt. Vielleicht habt ihr so jemanden bereits an eurer Seite, dies ist allerdings nicht immer der Fall und war es bei mir auch nicht. Ich habe mir bestimmt drei oder vier verschiedene Ärzt:innen angeschaut, bevor ich bei meiner jetzigen Ärztin gelandet bin, die mich unfassbar unterstützt. Viele Ärzte (tatsächlich waren es nur Männer), bei denen ich zuvor war, haben meine Probleme und Sorgen überhaupt nicht ernstgenommen und abgetan. Ich solle einfach ein paar mehr Ballaststoffe essen und dann würde das schon gehen. Wie ihr wisst, ist das natürlich nicht so einfach. Ich muss dazusagen, dass diese Arztbesuche bei mir bereits bestimmt fünf Jahre zurückliegen und ich hoffe sehr, dass sich seitdem einiges getan hat und ihr mit eurer Erkrankung ernst genommen werdet. Sollte dem nicht der Fall sein, zögert nicht und sucht euch eine/n neue/n Hausärzt:in! Diese/r kennt euch schließlich am besten und kann euch dann auf eurem Weg weiter begleiten.
Ernährungsberatung
Zum Thema Ernährung beim Reizdarm gibt es sehr viel zu erzählen, was ich auch nochmals in einen eigenen Beitrag packen möchte. Hier aber schon mal vorweg: Sucht euch unbedingt eine Ernährungsberatung! Es gibt verschiedene ernährungstherapeutische Ansätze bem Reizdarmsyndrom, welche allerdings unbedingt unter Aufsicht einer Fachperson stattfinden sollten. Die Ernährungstherapie wird auch von gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst, wenn ihr von eurem/ eurer Hausärzt:in eine Notwendigkeitsbescheinigung ausfüllen lasst. Ihr müsst bei der Suche nach einer passenden Ernährungsberater:in aber unbedingt darauf achten, dass diese bei einer Organisation zertifiziert ist, die von eurer Krankenkasse anerkannt wird (beispielsweise bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung). So kann gewährleistet werden, dass die Beratung sich an gewissen Standards orientiert. Diese Anforderungen variieren von Krankenkasse zu Krankenkasse. Setzt euch also immer mit eurer Kasse in Verbindung, bevor ihr die Beratung beginnt! Die können euch genau sagen, was zu tun ist, damit ihr die Kosten erstattet bekommt könnt.
Low FODMAP-Diät
Um beim Thema Ernährung zu bleiben: Ein mittlerweile sehr vielversprechender Ernährungsansatz beim Reizdarmsyndrom und auch chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist die sog. Low FODMAP-Diät. FODMAP steht für Fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole. Hierbei handelt es sich um kurzkettige Kohlenhydrate, bei deren Verdauung es zu Gärungsprozessen im Darm kommen kann. Daher können diese Kohlenhydrate bestehende Verdauungsprobleme verschlimmern.

Ein Artikel, der die Low FODMAP-Diät umfangreich und verständlich erklärt, ist u.a. dieser hier. Zudem gibt es auf der Homepage der australischen Universität, die zu dieser speziellen Diätform forscht, viele hilfreiche Informationen. Ich kann euch wirklich ans Herz legen, diese Ernährungsform für euch zu testen. Bei der Umstellung eurer Ernährung solltet ihr unbedingt eine Ernährungsberatung zu Rate ziehen (s.o.)! Die Diät ist sehr speziell und schränkt die Nahrungsauswahl anfangs stark ein. Die Ernährungsberatung kann euch dabei helfen, dass ihr nicht in Nährstoffmängel verfallt. Außerdem unterstützt sie euch dabei, möglichst viele Lebensmittel wieder in euren Speiseplan zu integrieren, damit ihr so vielfältig wie möglich essen könnt!
Nicht verzweifeln!
Auch wenn die Low FODMAP-Diät anfangs unfassbar einschränkend wirkt, kann ich euch aus meiner eigenen Erfahrung nur raten, sie auszutesten. Nach meiner Diagnose fühlte ich mich zunächst sehr niedergeschlagen. Ich weiß noch genau, wie ich im Behandlungszimmer des Arztes saß und mir die Tränen einfach die Backen hinunterliefen, als ich erfuhr, dass ich quasi mein komplettes Leben verändern sollte. Alles, was ich bislang so gerne gegessen hatte, fiel schlagartig weg. Um das zu verarbeiten, habe ich einige Tage und Wochen gebraucht. Als ich mich dann aber dazu entschloss, die Ernährungsweise auszuprobieren, wurde ich dafür belohnt. Zuvor hatte ich schon diverse andere Ernährungsweisen und Therapien ausprobiert, doch die Low FODMAP-Diät war tatsächlich das Erste, was mir wirklich geholfen hat. Nach einer Woche lief ich ganz aufgeregt am Abend die Treppe herunter, hob mein T-Shirt ein Stück hoch und zeigte meinem Papa meinen Bauch: Er war flach! Nicht wie sonst, ständig aufgebläht und „bloated“. Unfassbar! Das war ein riesiger Glücksmoment für mich. Kurzum: Auch wenn es anfangs sehr hart und überfordernd wirkt, verzweifelt nicht an eurer Diagnose! Es gibt mittlerweile einige Wege, die einem das Leben leichter machen. Die Einschränkungen in der Ernährung nehme ich mittlerweile gerne in Kauf, weil ich weiß, dass ich damit ein angenehmeres Leben mit weniger Schmerzen führen kann. Früher hätte ich mir niemals vorstellen können, einmal ohne Nutella-Toast glücklich sein zu können, aber heute weiß ich: Es geht! 😀
Entspannung und Achtsamkeit in den Alltag integrieren
Ich weiß, die Überschrift lässt viele von euch schon genervt die Augen verdrehen. Glaubt mir, mir ging es vor acht Jahren nicht anders! Dennoch ist es essentiell, die psychische Komponente des Reizdarmsyndroms mit zu behandeln, wenn langfristig und nachhaltig eine Besserung auftreten soll. Dies ist durch die sog. „Darm-Hirn-Achse“ begründet. Ganz knapp heruntergebrochen heißt das: Wenn ihr gestresst seid, reagiert euer Darm darauf. Andersherum reagiert aber auch eure Psyche auf die Unruhe in eurem Darm. Darum ist es wichtig, dass ihr den Stress in eurem Alltag möglichst gering haltet, um eurem Darm Ruhe zu gönnen. Stress ist sehr individuell und kann durch ganz verschiedene Triggerpunkte ausgelöst werden. Mein Tipp an euch ist es, sich zunächst bewusst zu werden, was besonders starke Faktoren in eurem Alltag sind, die euch stressen. Dabei wird es vermutlich zwei verschiedene Arten von Stressoren geben: Die einen, die ihr mit kleineren oder größeren Veränderungen aktiv verringern könnt. Das könnte beispielsweise sein, morgens eine halbe Stunde früher aufzustehen, um den Stress aus der Morgenroutine zu nehmen und in Ruhe zu frühstücken. Zudem gibt es allerdings noch eine zweite Art an Stressoren: Solche, die ihr nicht einfach „mal so“ verändern könnt. Um mit dieser Art an Stress besser umgehen zu lernen, hat es mir sehr geholfen, mein Stresslevel insgesamt zu verringern. Dazu mache ich zum Beispiel fast jeden Abend Yoga, was mich total entspannt und vom Alltag abschalten lässt. Außerdem starte ich mit der Wim Hof-Atemübung in den Tag. Meinen ersten Erfahrungsbericht dazu findet ihr hier. Wenn euer Körper und Geist insgesamt in einem entspannteren Zustand ist, kann euer Darm auch mehr zur Ruhe kommen.
Nicht zu viel Geld in nicht verschreibungspflichtige Medikamente stecken
Es klingt so verlockend: Zu jeder Mahlzeit eine Pille einwerfen oder jeden Morgen einen Yoghurt trinken und schwupps – ist der Reizdarm verschwunden. So suggeriert es das ein oder andere Medikament in der Werbung. Und glaubt mir: Auch ich habe mich davon beeinflussen lassen und fast alles ausprobiert, was es zur damaligen Zeit auf dem Markt gab, sei es Iberogast, diverse Reizdarm-Pillen, Carmenthin, Heilerde, auch alternative Medizin mit Globuli, etc. pp. Dafür habe ich mit Sicherheit mehrere Hundert Euro ausgegeben, immer wieder mit neuer Hoffnung, doch einfach mit meinem Leben und Essgewohnheiten mit Unterstützung der Mittelchen weitermachen zu können wie zuvor. Leider immer wieder ohne Erfolg. Ich musste feststellen, dass nur eine wirkliche Veränderung sowohl meines Lebensstils, als auch meiner Essgewohnheiten eine wirklich positive Änderung brachte. Dazu zählen auch verschiedene Therapien, die ich privat bezahlen musste (beispielsweise Hypnosetherapie und eine multimodale Therapie in einer Praxisklinik). Vorher bin ich aber leider den Werbeversprechen der Pharmaindustrie auf den Leim gegangen und habe alles gekauft, was Shop-Apotheke und DocMorrison zum Thema Reizdarm im Angebot hatten. Im Nachhinein bin ich schlauer und stelle fest, dass dieses Geld in wissenschaftlich fundierten Therapien deutlich besser angelegt gewesen wäre. Leider wird mit der Hoffnung auf einfache Besserung mit rezeptfreien Medikamenten viel Geld verdient… Ich möchte euch nicht grundlegend davon abraten, diese Medikamente auszutesten. Tut dies aber in Absprache mit eurem Arzt/ eurer Ärztin und kauft bitte nicht wie ich damals wie wild alles, was angeboten wird, in der Hoffnung, dass es hilft.
Ganz wichtig: Den eigenen Weg finden
Last, but not least, der wichtigste Punkt auf der ganzen Liste: Findet den Weg, der zu euch und euren Bedürfnissen passt. Jeder Körper ist genauso individuell wie jeder Alltag und Lebensstil. Was für mich überhaupt nichts war, kann dir total gut helfen. Daher: Probiert aus, was euch ganz persönlich guttut und hört da auf euer (Achtung, Wortwitz) Bauchgefühl. Das gilt in Bezug auf Ernährung, Supplemente, Therapien, einfach alles. Ich möchte euch hier nur ein paar Ansätze mitgeben, die für mich gut funktioniert haben. Vielleicht kannst du dir davon eine Sache heraussuchen, die du auch mal ausprobieren möchtest und vielleicht hilft dir diese ja auch. Ich persönlich komme zum Beispiel mit Hypnosetherapie nicht gut zurecht, obwohl hier einige Studien die Wirksamkeit dessen beim Reizdarmsyndrom belegen. Ich konnte mich aber einfach nicht so gut darauf einlassen und bin daher auf andere Atem- und Entspannungsübungen umgestiegen. Häufig muss man sich beim Thema Darm und Ernährung auch diverse, gut gemeinte Tipps von Bekannten anhören. Hier kann ich euch auch nur sagen: Wenn euch Tante oder Kollege mal wieder erzählen, dass ihr nur mal eine Suppenkur machen müsstet, und dann wären eure Beschwerden mit Sicherheit verschwunden: Lasst euch nicht reinreden. Wenn ihr einen Therapieansatz gefunden habt, der für euch toll funktioniert, ist das wunderbar! Ganz egal, was andere dazu zu sagen haben. Wichtig ist, dass es euch persönlich gut tut. Nicht jede/r muss ins Yogastudio gehen, um Entspannung zu finden!
Fazit
So, das war jetzt ein sehr umfangreicher Beitrag mit meinen Tipps, die ich euch unbedingt mitgeben möchte. Zu vielen der Themen kann und möchte ich auch noch gesonderte Beiträge schreiben; das soll nur als erster Überblick dienen. Fallen euch noch weitere wichtige Aspekte ein, die ich vergessen habe? Habt ihr schon etwas davon ausprobiert? Ich würde mich sehr über eure Meinung freuen! Schreibt mir gerne einen Kommentar oder auch per Mail!
[…] Meine Tipps nach der Diagnose findet ihr übrigens hier. […]